Interview mit Cécile Bonnet-Weidhofer


Cécile Bonnet-Weidhofer, Spitzenkandidatin der FDP in Mecklenburg Vorpommern, hat sich am Rande einer Veranstaltung in Binz Zeit genommen, um sich den Fragen von Chefredakteur Stephan Pundt zu stellen. Was dabei heraus gekommen ist, lest Ihr hier - bzw. ist etwas weiter unten auf der Seite als Podcast zu hören.

Stephan Pundt: Sie sind geboren in Südfrankreich, was verschlägt einen dann nach hier oben an die Küste Mecklenburg-Vorpommerns? Wie kam es dazu?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Ich bin nach Mecklenburg-Vorpommern wegen einer Stelle gekommen. Vor 6 Jahren hatte ich die Möglichkeit in Schwerin in einer Kunstschule zu arbeiten als Bildungsreferentin, bin dann letztendlich aber auch wegen der Liebe geblieben.

Stephan Pundt: Wie kommt man zur Politik? Was war Ihr persönlicher Einstieg?


Cécile Bonnet-Weidhofer: In Schwerin hat mich der Kreisvorsitzende der FDP gefragt, ob ich es mir vorstellen könnte, als Sachkundige Einwohnerin im Kulturausschuss mitzumachen. Er kannte mich und weiss wie ich ticke und welche Kompetenzen ich einbringen kann im Kulturbereich – und denke, Mensch da mach ich mit ohne Parteimitglied zu werden. Ich wollte auch erstmal gucken wie das abläuft. Das habe ich ein paar Monate gemacht, habe gesehen das meine Ideen eingebracht werden, und bin so Stück für Stück in die Politik reingerutscht.

Stephan Pundt: Ist die Politik immer noch eine Männerdomäne, in der sich die Frauen immer noch beweisen müssen und vielleicht sogar doppelt so hart arbeiten müssen um anerkannt zu werden? Wie ist ihr persönlicher Eindruck?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Es gibt immer noch viel mehr Männer als Frauen in der Politik – Das sehen wir auch im Landtag. Allerdings ändert sich das Stück für Stück, das wir auch immer mehr Frauen für Politik begeistern können. Wir sehen das auch bei den JULIS, das junge Frauen kommen und sagen, ich will auch mitmachen. Es sind aber auch noch viele Hürden zu überwinden, ich sehe das bei mir. Es war für andere Parteien schon die Überraschung, Mensch die FDP nominiert als Spitzenkandidatin eine junge Frau und Mutter sogar – geht das Überhaupt? Bei uns war das nur einmal die Frage: Mensch Cécile ist das okay? Schaffst du das? Ich sag ja – okay, also kein Thema. Die FDP steht da schon für ein modernes Familienbild.

Stephan Pundt: Sie haben geheiratet und sind vor kurzem Mutter geworden – Wie lässt sich das Privatleben mit der Politik unter einen Hut bringen, gerade jetzt während des Wahlkampfes?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Es ist nicht langweilig bei mir zurzeit. Man braucht eine gute Organisation und viel Unterstützung, ich habe das Glück das meine Familie wirklich immer da für mich ist. Wir haben auch gemeinsam entschieden dass ich kandidiere, denn alleine hätte ich das sonst nie geschafft. Aber wenn sie sich umschauen, ist das nichts Besonderes. Wenn man sich anguckt viele Unternehmerinnen im Land trotz Nachwuchs weiterhin ihr Unternehmen leiten, dann ist das ganz normal.

Stephan Pundt: Darf ich fragen wo sich der Nachwuchs aufhält, wenn Sie Termine wie den heutigen Warnehmen? Ist der bei ihrem Ehepartner, oder ist der auch berufstätig?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Mein Mann arbeitet – Momentan ist das Kind bei der Oma. Ich habe das Glück das meine Mutter vor 2 Jahren ebenfalls nach Schwerin gezogen ist und ich bin sehr dankbar für die große Unterstützung die ich durch sie erfahre.

FDP - Cécile Bonnet-Weidhofer

(Foto: Redaktion)


Stephan Pundt: Sie sind genau zu dem Zeitpunkt in die FDP eingetreten, als die Partei aus dem Landtag gewählt wurde. Haben Sie eine Meinung darüber, wie es dazu kommen konnte? Was hat die FDP falsch gemacht?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Ich kann schlecht die Arbeit der Fraktion beurteilen, da ich erst seit 2010 in Mecklenburg-Vorpommern bin. Ich weiß nur dass am Abend der Wahlparty die Enttäuschung sehr groß war, aber wir haben uns gesagt, okay in 5 Jahren sind wir wieder da. Mittlerweile haben wir ein anderes Team aufgestellt, das auch sehr gut zusammenarbeitet. Wir haben aus der Bundestagswahl gelernt, dass unsere Inhalte nicht schlecht waren, aber vielleicht haben wir es nicht geschafft die gut zu vermitteln. Ich bin sehr froh dass auch auf Bundesebene Bildung inzwischen eine sehr große Rolle spielt. Denn Bildung ist wirklich der Schlüssel zu allem – und diesen Ansatz kann ich als Bildungspolitikerin auch sehr gut vertreten.

Stephan Pundt: Nach den aktuellen Prognosen steht die FDP an der Schwelle zum Wiedereinzug in den Landtag. SDP und CDU stehen offenbar vor einem Rollentausch. Aber haben zusammen vermutlich nicht genügend Sitze im Landtag um im Rahmen einer Großen Koalition weiter zu regieren. Können Sie sich eine Regierungsbeteiligung mit diesen beiden Partnern vorstellen?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Eine demokratische Partei sollte bereit sein mit anderen demokratischen Parteien ins Gespräch zu kommen. Wir halten alles offen – aber wir wollen unsere liberalen Ansätze nicht für jedes Bündnis opfern.

Stephan Pundt: Sie würden also bei Koalitionsverhandlungen knallhart auf gewisse Positionen bestehen?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Ja, das haben wir aus der letzten Legislaturperiode gelernt, was passiert wenn man in seinen Überzeugungen schwächelt und zu viele Kompromisse eingeht. Das wollen wir nicht mehr.

Stephan Pundt: Können Sie sich auch Verhandlungen mit der AfD vorstellen?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Nein

Stephan Pundt: Auf welche Schwerpunkte würde die FDP denn bei Koalitionsverhandlungen kompromisslos bestehen?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Wir stehen für beste Bildung – das ist das A und O und da wünsche ich mir in den nächsten 5 Jahren mehr Gestaltungswillen. Das fängt schon bei der frühkindlichen Bildung an. Wir wollen kostenfreie Kita-Plätze. Wir wollen das der Erzieherberuf und die Erzieherausbildung attraktiver gemacht wird. Wir setzten da auf duale Ausbildung. Wir wollen freie Schulwahl. In den letzten Jahren wurden die Schulen in privater Trägerschaft enorm Stiefmütterlich behandelt – wir wollen das die Eltern die Wahl haben in welche Schule sie ihre Kinder schicken.

Wir wissen das kostet auch alles viel Geld.

Wir wissen auch das in den letzten Jahren die Ausgaben für Bildung um 18 Prozent gestiegen sind und trotzdem haben wir immer noch die höchste Jugendarbeitlosigkeit und so viele Schulabbrecher. Was uns zu dem Schluss bringt, dass das Geld das ausgegeben wurde, wurde nicht richtig ausgegeben. Wir sagen, das geht anders.

Wir wollen auch den Kita-Bereich umsiedeln. Wir sagen das ist Bildung und wollen das auch im Bildungsministerium ansiedeln.

Ich bin froh dass alle sagen, Digitalisierung ist unheimlich wichtig. Das fordern wir seit Jahren. Das hat die Landesregierung kurz vor der Wahl neu für sich entdeckt.

Zum Thema Bürokratieabbau – Es werden jährlich bundesweit Milliarden Euro ausgegeben für die Bürokratie. Ausbaden müssen dies nur die kleinen Unternehmen die soviel Personal haben um alles zu bewältigen. Deshalb ist der Bürokratieabbau für uns auch ein wichtiger Punkt.

Stephan Pundt: Kommen wir mal zu einem konkreten regionalpolitischen Thema aus dem Landkreis Vorpommern-Rügen.


Einige Kinder aus Altefähr auf Rügen gehen in Stralsund zur Schule, statt in der für sie zuständigen Einrichtung in Bergen auf Rügen – und wie diese Kinder gibt es zahlreiche Fälle, wo die Eltern eine andere Schule gewählt haben, als die vom Landkreis vorgeschlagene. Nun will die Kreisverwaltung die Fahrtkosten für den Bus zur Schule für eben diese Kinder ersatzlos streichen.

Das ganze hat sehr viel Streit verursacht, es wurde eine entsprechende Bürgerinitiative gegründet – was mich nun auch zu ihrem Wahlprogramm bringt, dort steht ja freie Schulwahl.

Cécile Bonnet-Weidhofer: Wir sind für die Aufhebung der örtlichen Zuständigkeiten ganz klar. In diesem Fall ist es ein bisschen schwierig, denn in Kommunale Angelegenheiten kann ich mich schwer einmischen, aber Fakt ist, dass das Schulgesetz neu gedacht werden muss. Unser Ansatz würde sein, dass die Schulen das Budget bekommen, denn sie wissen genau, wie sieht der Bedarf aus, welches Kind muss wohin gefahren werden. So dass sie das selbst regeln können und nicht der Landkreis.

Stephan Pundt: Was halten Sie für den aktuell größten Fehler der Landesregierung? Was würden Sie anders, oder besser machen wollen?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Lacht – Das sind sehr viele Sachen

Die Landesregierung hat in den letzten 5 Jahren soviele Chancen verschlafen. Und wenn wir uns das Thema Digitalisierung angucken, es kann einfach nicht sein, dass wir heutzutage Partner über das Internet finden können, aber man kann kaum einen Parkausweis beantragen. Die Freien Demokraten setzen hier auf eine digitale Verwaltung. Eben auch weil wir flächendeckend alle erreichen müssen – und es ist für viele schwierig, weil eben die Verwaltungsstrukturen nicht mehr da sind. Die Leute sollen viel von zuhause aus regeln können. In Parchim hat man eine Internetgeschwindigkeit von 6 MBit. Was möchte man damit machen, welches Unternehmen kann damit arbeiten? Ein Unternehmen aus Wismar, das eine Filiale in Rumänien hat, sagt das es dort viel besser ist. Und wir dürfen nicht vergessen dass wir im Wettbewerb stehen, nicht nur zu Bayern, Schleswig-Holstein und zur ganzen Welt. Da sind gravierende Missstände.

Ich bin Kommunalpolitikerin, ich bin in Schwerin in der Stadtvertretung engagiert – und ich merk einfach wie das Land die Kommunen im Stich lassen. Zum Beispiel in der Frage der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Da ist vieles dass durch ehrenamtliches Engagement gewuppt wird, aber das noch soviele offene Fragen in denen die Kommunen total überfordert werden. Da sehe ich die Landesregierung in der Pflicht die Kommunen besser zu unterstützen.

Ich sehe eine große Gefahr in der politischen Bildung. Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern in diesem Jahr keinen Wahl-O-Mat. Wir haben kaum Auseinandersetzungen mit Rechtspopulisten. Da würde ich mir mehr Initiative von Landesregierung wünschen um diese Probleme anzupacken. Ich bin auch eine Gegnerin des Schweriner Weges, wo es darum geht, wir setzen uns nicht mit der NPD auseinander. Doch nur im Dialog miteinander können wir Probleme bewältigen.

Stephan Pundt: Die Landesregierung hat die Kreisgebietsreform umgesetzt, als nächstes kam die Gerichtsstrukturreform. Nun wünscht man sich die Fusion kleiner Gemeinden und im Kulturbereich die Fusion von Theater. Um sich zukunftsfest zu machen, konzentriert sich die Regierung auf die Zentren. Wie sehen Sie diese Pläne – und würde es die FDP anders machen?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Genau – Also ich glaube das ist diese große Gefahr. Wir dürfen nicht die Bevölkerungsdichte durch die Verwaltungsstrukturen lenken. Die Freien Demokraten wollen gleichwertige Lebensbedingungen haben in ganz Mecklenburg-Vorpommern – und das bedeutet natürlich das man die entsprechende Infrastruktur aufbaut. Das bedeutet natürlich dass wir allen Perspektiven geben. Von den Freizeitangeboten, den Kita-Plätzen, bis hin zur medizinischen Versorgung. Es kann nicht sein das wir als Flächenland der Zukunft gelten wollen, wenn wir ganze Landesteile einfach aufgeben.

Stephan Pundt: Kommen wir nun zu einem weiteren Thema hier aus der Region. Die Bahnstrecke von Velgast nach Barth – ein Teilstück der ehemaligen Darßbahn und auch die sogenannte Südbahn sollen stillgelegt werden. Aus Sicht der Deutschen Bahn sind diese Verbindungen unrentabel, die betroffene Bevölkerung reagiert empört und wieder werden Bürgerinitiativen zum Erhalt gegründet. Wie steht die FDP zu diesen Entwicklungen?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Es war immer ein Vorhaben der FDP die Strecke der Darßbahn weiter auszubauen. Damals kam auch der entsprechende Antrag von unserer Landtagsfraktion, der wurde geblockt von der Landesregierung.

Wir brauchen Infrastrukturen. Auf jedenfalls sollte die Darßbahn weiter ausgebaut werden.

Stephan Pundt: Was würden Sie von der Einführung einer Wahlpflicht, wie in Australien halten?

Cécile Bonnet-Weidhofer: …oder in Belgien, dass ist eine sehr schwieriges Thema. Im Endeffekt bringt es nichts, wenn die Leute nicht wissen warum sie wählen sollten. Wir hätten am Ende eine bessere Wahlbeteiligung, aber ob wir die Bürger wirklich damit erreichen und wirklich das Bewusstsein fürs Wählen überhaupt stärken, da habe ich meine Zweifel.

Stephan Pundt: Zum Abschluss würde ich gerne von Ihnen wissen, wie Sie sich Mecklenburg-Vorpommern in den nächsten 5 Jahren vorstellen?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Also wenn ich sagen, das ich als gebürtige Französin hier in Mecklenburg-Vorpommern lebe, werde ich oft mit großen Augen angeschaut. Mein Ziel ist das in 5 Jahren die Leute sagen: „Es ist so schade das ich nicht nach Mecklenburg-Vorpommern zum studieren kommen konnte, weil ich dort keinen Platz mehr kriegen konnte. Weil einfach jeder nach Mecklenburg-Vorpommern will. Alleine weil die Infrastruktur und die Perspektiven so toll sind, weil das Land so offen ist – das ist mein Ziel.

Stephan Pundt: Ich bedanke mich für das Gespräch

Cécile Bonnet-Weidhofer: Bitte


Interview zur Landtagswahl 2016

Für alle die noch nicht wissen wen sie bei der Landtagswahl 2016 wählen sollen, oder wer allgemein noch etwas zu den Positionen des einen oder anderen Kandidaten wissen möchte, der ist bei uns richtig. In unserer Interviewreihe zur Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern sprechen wir mit Vertretern verschiedenster Parteien und stellen ihnen auch Eure Fragen

05.08.2016: FDP Spitzenkandidatin Cécile Bonnet-Weidhofer

Das Interview

Am Rande einer Veranstaltung hat sich die FDP Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2016 den Fragen unseres Chefredakteurs gestellt. Thematisch ging es dabei um die Süd- und die Darßbahn, die Schülerbeförderung im Kreis Vorpommern, den schleppenden Breitbandausbau, den umstrittenen Rückzug der Verwaltung aus der Fläche und viele weitere Bereiche.

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