Kriegsgefangene in Neubrandenburg


Stadtverwaltung leistet mit neuen Forschungsergebnissen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte des 2. Weltkriegs

Als Mussolini 1943 gestürzt wurde und Italien Deutschland den Krieg erklärte, marschierte die Wehrmacht in Italien ein und nahm 600.000 Italiener gefangen. Um sich an ihnen zu rächen, wurde ihnen der Status Kriegsgefangener verwehrt. Das bedeutete, dass ihnen der durch die Genfer Konvention gewährte Schutz und Hilfe durch das Rote Kreuz verweigert wurde; sie konnten so bedingungslos in der deutschen Kriegswirtschaft eingesetzt werden. 12.000 dieser Militärinternierten kamen auch nach Neubrandenburg; in Deutschland starben insgesamt 45.000.

Des Weiteren haben sie, obwohl sie im Herbst 1944 den Status von Zwangsarbeitern erhielten, keine Entschädigung bekommen (im Gegensatz zu Zwangsarbeitern aus anderen Nationen).

Nur durch einen Zufall wurde dieses Thema wieder entdeckt. Eine E-Mail aus Australien brachte den Stein ins Rollen. Dan Sartoretto fragte in der Stadt Neubrandenburg an, ob ihm jemand behilflich sein könnte, das Grab seines Onkels Bruno Sartoretto zu finden. Sartoretto sei hier in deutscher Gefangenschaft gestorben. Die Anfrage aus Australien war der Anlass sich näher mit der Geschichte der italienischen Gefangenen in Neubrandenburg auseinanderzusetzen, denn bisher wurde dieses Thema nur am Rande betrachtet.

Es stellte sich heraus, dass dieses Thema nicht nur in Neubrandenburg sehr schlecht aufgearbeitet ist, sondern in ganz Deutschland.

Ein weiteres Kapitel unbekannter Toter wurde gelöst.

Im Rahmen der Forschungs- und Recherchearbeit zu Opfern des 2. Weltkrieges können über weitere 80 Frauen ihren Namen zurückbekommen. Die Frauen stammten aus zehn europäischen Ländern und mussten in der Außenstelle des KZ Ravensbrück an der Ihlenfelder Straße in der Rüstungsindustrie arbeiten.

Sie starben zwischen Dezember 1944 und Ende April 1945 unter Unterernährung, Auszehrung und Krankheiten und wurden nicht wie andere Verstorbene der KZ-Außenstelle in Ravensbrück verbrannt. Auf Grund der im Dezember 1944 bereits herrschenden Benzinknappheit wurden sie nicht mehr ins Hauptlager transportiert, sondern in der Nähe des KZ an der Ihlenfelder Straße beigesetzt und in den 1970er Jahren an das Frauenehrenmal umgebettet. Die Auswertung der Quellen widerlegt die Behauptung aus der DDR-Zeit, die auch in Publikationen nachlesbar ist, dass die toten Frauen aus dem Zug geworfen und an der Bahnstelle beerdigt wurden.

Die Namen der Opfer waren bis jetzt völlig unbekannt. Eine polnische Krankenschwester hat jedoch die Namen der Toten aufgezeichnet und ihre Aufzeichnungen mitnehmen können, als sie durch das Schwedische Rote Kreuz gerettet wurde. Die Rettungsaktion der „Weißen Busse“ des Schwedischen Roten Kreuzes, dessen Initiator Graf Bernadotte war, machte weltweit Schlagzeilen. Mehrere Zeitzeugen, die durch die Aktion am Leben blieben, waren in Neubrandenburg schon als Zeitzeugen zu Gast.

Neubrandenburg - 07.09.2017
Text: Pressestelle Vier-Tore-Stadt Neubrandenburg am Tollensesee